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Die gefürchtete Vergesellschaftung (VG)

Aktualisiert: 3. Nov. 2021


Eine Vergesellschaftung (VG) beschreibt das Zusammenführen von mehreren Mäusen aus verschiedenen Gruppen und ist immer irgendwie für alle doof. Dabei kann eine VG für die Mäuse auch eine unglaubliche Bereicherung sein. Es gibt diverse Methoden für eine erfolgreiche VG und gefühlt hat jeder seine ganz eigenen Tricks, darum möchte ich hier nicht die ultimative Lösung beschreiben, sondern meine Methode. Nicht mehr und nicht weniger ;)


Ich stelle meine Gruppen nach Charakter und Sympathie zusammen und bin damit bisher immer gut gefahren. Ich habe auch gemischte Gruppe aus Vielzitzenmäusen und Farbmäusen vergesellschaftet, möchte damit aber erst mal etwas mehr Erfahrung sammeln, bevor ich Tipps gebe. Wir sprechen im folgenden Text also von der Vergesellschaftung von Farbmäusen.


Meine VG läuft so: - Kennenlernen auf neutralem, nicht zu kleinen und nicht zu großem Raum (für 10 Mäuse ungefähr 40cm x 50cm)

Ich wähle eine Fläche, auf der sich die Mäuse aus dem Weg gehen können, auf der es aber nicht genug Platz für Jagden gibt (ganz wichtig!).

Sie haben in dem VG-Käfig nie ein Haus, sondern entweder einen Haufen Papierschnipsel in einer Ecke oder maximal eine gebogene Pappe als Unterschlupf. Die Mäuse bauen sich damit ihr eigenes Nest und sind nicht gezwungen sich in ein unpassendes Haus mit Sackgassen zu quetschen. Es gibt auch keine Kämpfe um das Haus und die Mäuse haben direkt eine Aufgabe. Ich gebe genug Papierschnipsel, damit sich die Mäuse gut verkriechen können, um den Stress geringer zu halten. Futter verstreue ich auf dem Boden.

Erfahrungsgemäß zeigen sich die ersten wirklichen Probleme in den ersten paar Stunden, es ist also ratsam sich für den Tag nichts mehr vorzunehmen.


- nach und nach neue Gegenstände geben und die Reaktionen beobachten

In den nächsten Tagen gebe ich den Mäusen nach und nach unspannende Gegenstände wie Kletteräste oder Heu. Bei jedem neuen Gegenstand beobachte ich, ob es Spannungen oder Probleme gibt. In der Regel weiß man ab diesem Punkt schon, welches die schwierigen Mäuse sind. Den Grundsatz "ein Gegenstand pro Tag" finde ich bei etwas angespannten Gruppen gut, bei sehr freundlichen Gruppen darf es auch ein bisschen mehr sein. Streit kann manchmal deeskaliert werden, in dem man den neuen Gegenstand wieder entfernt und noch mal eine Nacht damit wartet.


- nach und nach Platz vergrößern

Auch hier schaue ich auf die Persönlichkeiten. Ist es eine reine Gruppe aus sensiblen und freundlichen Mäusen, wandern sie bei mir meistens direkt in den Endkäfig. Ist man sich unsicher oder sind die Mäuse etwas zickiger, sollte man mit dem Platz deutlich langsamer sein!

Ich entscheide meistens am ersten oder zweiten Tag, ob ich die Gruppe so lasse wie ich sie für die VG zusammen gestellt habe, oder ob es Änderungen gibt. Dabei habe ich den Luxus von mehreren Gehegen, die mir persönlich sehr viel Druck aus der Sache nehmen. Die Mäuse müssen sich nicht auf Teufel komm raus verstehen; wer sich nicht mag muss nicht in eine Gruppe gezwungen werden, sondern darf woanders hin. Das kommt besonders den sehr sehr empfindlichen und alten Mäusen zu Gute, die sich so nicht auf Zwang mit Mobbermäusen arrangieren müssen,

Ganz grob teile ich Mäuse in drei Charaktertypen ein:


1. Eine ausgeglichene, entspannte Maus erkundet ruhig oder interessiert- aufgeweckt ihr neues Gehege. Neue Mäuse werden an Po oder Kopf beschnuppert, vielleicht geputzt oder die Maus lässt sich von anderen putzen und beschnuppern. Sie fängt bereits nach kurzer Zeit an zu fressen und zu trinken. Diese Mäuse sind mit den meisten kompatibel und sehr einfach zu vergesellschaften.


2. Eine unsichere, passive Maus bewegt sich nicht viel und verkriecht sich, sie lässt sich von anderen beschnuppern und kneift dabei die Augen zusammen oder friert ein, hebt möglicherweise auch warnend die Vorderpfötchen, bei Poschnuppern läuft sie möglicherweise weg oder schreit auf, ebenso bei Putzversuchen von anderen. Sie sucht sich ein Nest oder einen Unterschlupf und hält sich dort lange auf, bevor sie die nächsten Stunden oder Tage nach und nach ihr Gehege erkundet.


3. Eine dominante, aggressive Maus reitet den anderen Mäusen auf und versucht sie zu dominieren, sie schnuppert sehr aufdringlich am Po und fängt flüchtenden Mäusen an hinterher zu laufen oder zu jagen. Sie versuchen direkt ihr Revier festzustecken und braucht etwas länger, um die anderen Mäuse anzunehmen.


Diese drei Typen gibt es in diversen verschiedenen Abstufungen, zum Beispiel gibt es dominante Mäuse von leicht zickig bis zu massivst verhaltensgestört. Die meisten normal sozialisierten Mäuse bewegen sich aber um und bei Kategorie 1. Diese Mäuse sind die Basis einer jeden Gruppe und sind mit beiden anderen Typen kompatibel, schwierig wird es, wenn Typ 2 und Typ 3 aufeinander treffen. Ist Typ 3 zu dominant und Typ 2 zu empfindlich, kann sich eine VG über Wochen ziehen oder es kommt nie richtig Ruhe rein. Ich persönlich mute das den Mäusen nur ungerne zu und habe selbst auch keinen großen Spaß an einer ewig dauernded VG, darum setze ich solche Mäuse nicht zusammen in eine Gruppe.


Ein gutes Beispiel für eine schlechte Dynamik. Die braune Maus friert ein und hat Angst, weil sie vorher bereits gezwickt wurde. Die gescheckte Maus streift sie nur kurz am Po und die braune Maus läuft quietschend los. Das wiederum provoziert die gescheckte Maus dazu, sie zu verfolgen und zu jagen. Die beiden Mäuse haben sich später wieder beruhigt, aber bei so einer Dynamik muss man dabei bleiben und sollte möglichst wenig Platz und kaum bis keine Gegenstände (kein Haus!) anbieten. Schaukeln sich die beiden immer weiter hoch, würde ich sie nicht zusammen lassen.


Bei einer VG geht es darum, viele verschiedene Persönlichkeiten zu einer Gruppe zusammen zu führen


Das erste Treffen: was ist normal, was ist auffällig?

Nanni putzt, um zu zeigen, wer der Boss ist

normal sind:

- Schwanztrommeln gegenüber dem Menschen

- Gepiepse

- harmlose Rangeleien mit Wegschubsen

- etwas grobes Putzen

- intensives riechen am Po


auffällig sind:

- direktes Beißen oder Kugeln, Blut (Bisswunden sind meistens an Po, Schwanz und unterem Rücken)

- Schwanztrommeln gegen andere Mäuse (kann schnell mal einen Kampf provozieren)

- Aufreiten mit Festbeißen (die Maus hängt den anderen ununterbrochen auf dem Rücken)

- lange Jagden (Platz am besten so wählen, dass dies gar nicht möglich ist)

- Vertreibung anderer Mäuse von Futter oder Nest

- eine einzelne Maus wird ausgegrenzt

- eine Maus sondert sich selbst ganz massivst von den anderen ab


Das auffällige Verhalten bedeutet nicht zwangsweise, dass eine VG gescheitert ist, sondern nur, dass man etwas verhaltenskreative Mäuse in der Gruppe hat, die man gesondert beobachten muss. Mobber und Gemobbte trenne ich meistens wieder, besonders wenn gebissen wird.

Grenzt sich eine Maus selbst ab und verhält sich der Rest der Gruppe entspannt, dann muss man ihr besonders viel Zeit geben und den gemeinsamen Unterschlupf attraktiv gestalten, damit die Maus mit den anderen Mäusen zusammen im Nest Schutz sucht und sich so ein Gefühl von Sicherheit aufbaut.

Nuggets erste VG war gar nicht toll....

Was tun mit einer Schrei-Maus?

Prinzipiell gibt es gesprächige und weniger gesprächige Mäuse.

Manchmal gibt es aber welche, die bei einer VG quasi durchgehend schreien. Jeder Annäherungsversuch von einer anderen Maus wird mit lautem Fiepen beantwortet und die anderen können teilweise nicht mal an der Maus vorbei gehen, ohne, dass es Gebrüll gibt. Bei solchen Mäusen ist es unglaublich wichtig, dass man sie solange in der Situation (kleiner Platz) lässt, bis sie sich beruhigen. Die Maus muss solange mit der Situation konfrontiert sein, bis sie sich selbst runter reguliert und merkt, dass nichts passiert. Wenn auch beim hundertsten Kontakt mit neuen Mäusen nichts schlimmes passiert, prägt sich diese Erfahrung ein und die Maus beruhigt und entspannt sich. Auf keinen Fall sollte man Schreimäusen so viel Platz geben, dass sie die anderen komplett meiden können. Die Maus gewöhnt sich so nie an die anderen und im schlimmsten Fall kann das Geschrei eine dominante Maus so provozieren, dass es zu Verfolgungsjagden kommt. Jagen aus einer Gruppe wieder rauszubekommen ist relativ schwierig und darum lässt man es am besten gar nicht so weit kommen.


Diese "Behandlungsmethode" ist natürlich nur sinnvoll bei Mäusen, die grundlos schreien. Wird eine Maus gebissen, darf sie aufschreien und muss nicht daran gewöhnt werden. In dem Fall ist nicht die piepsende Maus sondern der Aggressor das Problem und muss raus.


Miu ist ein gutes Beispiel für eine Schrei-Maus. Obwohl die anderen sie ignorieren oder nur freundlich beschnuppern, schlägt sie um sich und schreit. Nach ca 5 Minuten hatte sie sich dann beruhigt und konnte entspannen






Neue Mäuse in die Gruppe ohne VG?

Ich gebe zu, ich habe in der Vergangenheit schon mehrfach Mäuse ohne Vergesellschaftung in eine Gruppe gesetzt. Ich möchte aber niemanden dazu motivieren, das nachzumachen. Es waren Situationen mit kleinen Omagruppe, bei denen ich die Mäuse unglaublich gut und genau aus vorherigen VGs kannte. Das geht nur in sehr wenigen Gruppen und nur mit Erfahrung, man darf niemals Mäuse einfach so in ein fremdes Gehege setzen!! Es kommt sonst zu kämpfen, weil die Eindringlinge aus dem Revier vertrieben werden sollen. Versucht man danach einen Neustart mit einer normalen VG, haben die Mäuse bereits einen negativen Eindruck voneinander.

Bitte NIEMALS machen!



Nur 3 mal im Leben? Wann ist es Zeit für eine VG?

Ich lese häufig den Grundsatz "eine Maus sollte maximal 3 VGs in ihrem Leben mitmachen". Das kommt daher, dass eine VG jedes mal Stress bedeutet, den man diesen kleinen Nasen mit ihrer eh schon kurzen Lebenserwartung nicht andauernd zumuten will. An sich stimme ich da zu, man sollte nicht andauernd vergesellschaften, auch weil einige Mäuse dann eine gewisse VG-Müdigkeit entwickeln und wirklich überhaupt keinen Bock mehr auf neue Mitbewohner haben.


Allerdings empfinde ich die VG nicht nur als Stress für die Mäuse, den sie ertragen müssen, wenn die Gruppe auf 4 Tiere schrumpft, sondern auch als Bereicherung. Es gibt quasi kein besseres Enrichment als neue Artgenossen und ich sehe es wieder und wieder, wie Mäuse, die sich im Alltagstrott schon sehr zurückgezogen haben, plötzlich bei einer VG aufblühen- auch und besonders Rentner!

Manchmal hat man Mäusegruppen, die trotz guter Gruppenzahl immer ruhiger werden. Es wird nicht mehr so viel gebaut, es wird nicht mehr erkundet, es tritt eine gewisse Lethargie ein. Für mich gibt so eine Gruppe das Signal, dass sie etwas neues braucht, und oft ist eine VG genau das richtige. Es bilden sich neue Freundschaften, neue Gruppenstrukturen, man kann die Zeit nutzen, um das Gehege komplett neu einzurichten, etc. Mäuse sind soziale Tiere und ein bisschen frischer Wind tut ihnen manchmal gut. Auch würde ich in hundert Jahren niemals eine Maus alleine sterben lassen, nur weil sie "schon 3 VGs hatte".

Sind Mäuse miteinander kompatibel, dann ist die VG ein Klacks!

Einsame Mäuse schlafen mehr, sind scheuer und entwickeln in einigen Fällen sogar schlimmes Fehlverhalten wie zwanghaftes Kratzen oder im Kreis rennen. Diese Tiere leiden und da gibt es kein "aber". Kein "aber MEINE Maus ist glücklich", kein "aber die mag keine anderen Mäuse", kein "aber ich spiele ganz viel mit ihr". Ein Mensch kann für eine Maus keinen Sozialpartner ersetzen.

Es gibt sogar Studien, die zeigen, dass unkastrierte Männchen lieber mit einem verhassten anderen Böckchen zusammen leben, als komplett einsam zu bleiben (Quelle).


Von einer harmonischen Gruppe profitieren Mäuse und Halter und bei einer VG nach Sympathie hält sich der Stress in Grenzen. Es ist's wert, Ausreden zählen nicht!

Niemand muss alleine sein, auf jeden Topf passt ein Deckel

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