(um diesen Text möglichst zugänglich zu machen, versuche ich die meisten englischen Texte frei auf deutsch zusammen zu fassen. Für Detailrecherche wird gutes Englisch benötigt)
Ich will schon seit Monaten einen Beitrag zu diesem Thema schreiben, aber das Ganze ist so komplex, dass ich es bisher immer nicht geschafft habe.
Ich gebe es zu, ich bin jemand, der dazu neigt, seine Tiere ein wenig zu überfüttern. Meiner Erfahrung nach sind etwas dickere Tiere stabiler, kommen besser mit Krankheiten zurecht und stecken Stress leichter weg. Ihr Körper lebt im Luxus, Nährstoffe gibt es en masse ("the obesity paradox"- ein Beitrag über den Zusammenhang von extra Pfunden bei Menschen und besserer Gesundheit mit dem Fazit, dass Bewegung und vitaminreiche Ernährung wichtiger sind, als schlank zu sein | "Körperfett schützt vor Infektionen" - kurzer Text zu Fettgewebe als Immunorgan).
Die Betonung liegt dabei auf etwas dicker, denn massives Übergewicht schadet Mäusen natürlich genau wie Menschen.
Labore haben ein Interesse daran, dass ihr Testmäuse möglichst lange leben. Nicht, weil sie so tierlieb sind, sondern weil es die Studien einfacher macht und jede lebensverlängernde Entdeckung immer auch für den Menschen interessant sein kann. Es weigern sich zwar viele Mäusehalter dagegen, sich an Laboren bei der Tierhaltung zu orientieren, aber in einer Sache sind Labore und ich uns einig: Ich habe auch ein Interesse daran, dass meine Mäuse möglichst lange leben! Und eine Sache, die in hunderten Studien immer und immer zur Sprache kommt, ist das Thema "rodent dietary restriction" (zu deutsch: Nagetier Futtermittel Restriktion oder auch: Nagerfasten).
Wie geht man dieses sehr wissenschaftliche Thema jetzt am besten an und was lassen sich für Schlüsse für die Heimtierhaltung ziehen?
Ich möchte Quellen verlinken und Ausschnitte gesondert hervorheben, um in das Thema einzuführen.
Was ist rodent dietary restriction genau?
"Dietary restriction (DR) is an all-encompassing term describing interventions that improve health by restricting some aspect of nutrition. Such interventions include: calorie restriction (CR), involving reduced food intake without malnutrition (usually by 20–40% relative to ad libitum fed animals); intermittent fasting (IF), involving enforced periods of fasting such as every other day (EOD) feeding, periodic fasting (PF) or time restricted feeding (TRF); and dietary dilution of specific macronutrients such as protein or essential amino acids such as methionine without enforced food restriction." | Übersetzung: Ernährungsrestriktion ist ein Sammelbegriff für sämtliche Eingriffe in die Gesundheit durch die Reduktion eines Aspektes der Nahrungszufuhr. Solche Eingriffe beinhalten: Kalorienreduktion, bedeutet insgesamt reduzierte Nahrungsaufnahme ohne Mangelernährung (in der Regel 20-40% in Relation zu uneingeschränkt gefütterten Tieren); Intervallfasten, bedeutet Fastenzeiten wie eine Fütterung jeden zweiten Tag, regelmäßige Fastenperioden oder zeitlich begrenzter Zugang zu Futter; und Verdünnung von bestimmten Makronährstoffen wie Protein oder Aminosäuren wie Methionin ohne zusätzliche Futterreduktion.
Genauere Erklärung der Fütterungsvariationen: Food Regulation and Restriction in Rodents, 2009, bu.edu
Was bringt rodent dietary restriction?
"Almost exactly 100 years ago Osborne and colleagues demonstrated that restricting the food intake of a small number of female rats extended their lifespan." | Übersetzung: Vor fast 100 Jahren zeigten Osborne und seine Kollegen bei einer kleinen Gruppe weiblicher Ratten, dass eine Reduzierung des insgesamt aufgenommen Futters ihre Lebenszeit verlängerte.
"Caloric restriction is the most effective and reproducible dietary intervention known to regulate aging and increase the healthy lifespan in various model organisms, ranging from the unicellular yeast to worms, flies, rodents, and primates. (...) Specific types of chronic, intermittent, or periodic dietary restrictions without chronic caloric restriction have (instead) the potential to provide a significant healthspan increase while minimizing adverse effects.
| Übersetzung: Kalorienrestriktion ist der effektivste Eingriff in die Ernährung, um Alterung und eine verlängerte Lebenszeit in diversen Organismen zu kontrollieren, von einzelligen Hefen zu Würmern, Fliegen, Nagetieren und Primaten. Spezielle Arten von dauerhafter, aussetzender und regelmäßiger Nahrungsrestriktion ohne chronische Kalorienreduktion, haben das Potential, die Lebensspanne deutlich zu verlängern, bei geringen Nebeneffekten.
"Putting mice on a diet containing low amounts of the essential amino acid methionine triggered the formation of new blood vessels in skeletal muscle, according to a new study from Harvard T.H. Chan School of Public Health. The finding adds insight to previous research showing that a methionine-restricted diet extends lifespan and healthspan, suggesting that improved vascular function may contribute to these benefits."
| Übersetzung: Eine neue Studie der Harvard T.H. Chan School of Public Health zeigte, dass die Ernährung von Mäusen auf eine geringere Menge der Aminosäure Methionin umgestellt, die Bildung neuer Blutgefäße in den Skelettmuskeln förderte. Diese Entdeckung ergänzt die bereits gesammelten Informationen aus früherer Forschung, welche zeigten, dass eine Mithionin-reduzierte Ernährung die Lebensspanne und Gesundheit verbesserte, welche anscheinend direkt mit der verbesserten Gefäßfunktion zusammenhängen.
"Fasten verlangsamt Krebs-Wachstum bei Mäusen. Kurzes Fasten hat Mäusen bei der Behandlung von Krebs geholfen: Die Chemotherapie wirkt dann besser. Grund ist eine Verwirrung der kranken Zellen."
- (Artikel Welt. de basierend auf der Studie Fasting Cycles Retard Growth of Tumors and Sensitize a Range of Cancer Cell Types to Chemotherapy, 2012, sciencemag.org)
"Mice with many of the pathologies of Alzheimer’s Disease showed fewer signs of the disease when given a protein-restricted diet supplemented with specific amino acids every other week for four months.
Mice at advanced stages of the disease were put on the new diet. They showed improved cognitive abilities over their non-dieting peers when their memory was tested using mazes. In addition, fewer of their neurons contained abnormal levels of a damaged protein, called “tau,” which accumulates in the brains of Alzheimer’s patients."
| Übersetzung: Mäuse mit pathologischen Anzeichen von Alzheimer zeigten weniger Symptome der Krankheit bei einer Protein-reduzierten Ernährung ergänzt durch bestimmte Aminosäuren jede zweite Woche für vier Monate. Mäuse im fortgeschrittenen Stadium der Krankheit zeigten bei dieser Ernährungsumstellung verbesserte kognitive Fähigkeiten im Vergleich mit normal ernährten Mäusen in Testlabyrinthen. Zusätzlich enthielten weniger ihrer Neuronen abnormale Mengen des beschädigten Proteins "tau", welches sich in den Gehirnen von Alzheimerpatienten anlagert.
"Here we show that 30% dietary restriction (DR) for 2 weeks dramatically increased the survival rate of 2-month-old female mice after lethal-dose MTX exposure. DR significantly reduced intestinal inflammation, preserved the number of basal crypt PCNA-positive cells, and protected the function of intestinal stem cells (ISCs) after MTX treatment."
| Übersetzung: In dieser Studie zeigen wir, dass eine Nahrungsrestriktion von 30% für 2 Wochen die Überlebenschance von 2 Monate alten, weiblichen Mäusen nach einer lethalen Dosis Methotrexat (MTX) drastisch erhöht. Nahrungsrestriktion reduzierte deutlich die Entzündungen im Darmtrakt, half beim Erhalt der Anzahl der PCNA-positiven Zellen und schützte die Funktion von Stammzellen des Darms nach einer MTX Behandlung.
Also einfach fasten und schon leben die Mäuse ewig? Ganz so einfach ist es leider nicht
"Dietary restriction (DR) during adulthood can greatly extend lifespan and improve metabolic health in diverse species. (...) Female mice aged 24 months were switched from an ad libitum (AL) diet to DR or vice versa. Strikingly, the switch from DR to AL acutely increases mortality, whereas the switch from AL to DR causes only a weak and gradual increase in survival, suggesting the body has a memory of earlier nutrition." | Übersetzung: Ernährungsrestriktion (ER) bei ausgewachsenen Tieren verschiedenster Arten kann die Lebenserwartung und den Stoffwechsel deutlich verbessern. Weibliche Mäuse im Alter von 24 Monaten wurden von einer ad libitum Fütterung (AL- bedeutet uneingeschränkter Zugang zu Futter, so viel die Tiere möchten) auf ER umgestellt und anders herum. Interessanterweise erhöht die Umstellung von ER zu AL die Mortalitätsrate, wogegen die Umstellung von AL zu ER nur zu einem geringen, graduellen Anstieg der Lebenserwartung führte. Daraus lässt sich schließen, dass der Körper ein "Gedächtnis" für die frühere Ernährungsweise besitzt.
Dazu kommt der Geschlechterunterschied:
"Als Reaktion auf ein kurzes, sechs Stunden dauerndes Fasten haben weibliche Mäuse laut einer Studie der University of Sydney http://sydney.edu.au mehr Leberfett generiert als männliche. Sie verbrauchten es allerdings auch besser. (...) In manchen Bereichen reagierten die männlichen und weiblichen Tiere gleich auf das Fasten. Sie wiesen Veränderungen bei der Nahrungsaufnahme, der Magermasse und dem Glukose-Stoffwechsel auf. Diese Parameter veränderten sich in einem unterschiedlichen Ausmaß, indem die männlichen Tiere mehr fraßen, größer wurden und über größere Lebern verfügten. Laut Forschungsleiterin Therese Freire konnte der entscheidende Unterschied in der Leber mit der Speicherung von Fett und seiner Verwendung nachgewiesen werden."
Schlusswort
Diese Informationen sind nicht mal die Spitze des Eisbergs, maximal das kleine Gipfelfähnchen. Aber um diesen Berg zu bezwingen, muss man ja erst mal irgendwo anfangen. Die Tendenz ist relativ klar und besonders die Aminosäure Methiotin taucht immer wieder auf. Aus diesen Studien wäre also eine möglichst eiweißarme Ernährung mit regelmäßigen Fastenepisoden für Mäuse als sinnvoll abzuleiten- aber GANZ ohne Eiweiß geht es nicht und hungern sollte auch niemand!
Es gibt hunderte Laborstudien und inwieweit diese sich auf die Heimtierhaltung ableiten lassen, ist für einen Hobbyhalter wie mich schwer zu erkennen. Ich werde mich weiter mit dem Thema befassen und einen weiteren Text schreiben, wenn ich zu einem Schluss gekommen bin. Da hat Speckbert nochmal Glück gehabt!
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