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AutorenbildMauszeit-Blog

Farbis und Zitzis- eine Hassliebe

Seid längerer Zeit halte ich Farbmäuse und Vielzitzenmäuse (VZM) in großen, gemischten Gruppen zusammen. Die beiden Arten füllen in ihren jeweiligen Heimatländern zwar ähnliche Nischen, sind aber nicht miteinander verwandt und haben in der Natur nicht wirklich etwas miteinander zu tun. Wieso finde ich die beiden in der Heimtierhaltung dann so perfekt zusammen? Eine Erklärung.


Wichtig: Um Farbmäuse und VZM zusammen zu halten, sollte man beide Arten unabhängig voneinander gut kennen und einschätzen können. Eine VZM kann eine Farbmaus problemlos töten, sie sind körperlich deutlich überlegen. Auch unter Farbi und VZ Böcken kann es Probleme geben, ebenso bei tragenden Weibchen oder Weibchen mit frischen Würfen. Ich habe diese Erfahrungen noch nicht gemacht, halte es aber für eine realistische Gefahr, die man unbedingt bedenken muss!


Gemeinsamkeiten

Farbis und Vielzitzen verbindet vieles, weshalb sie so gut zusammen harmonieren. Beide sind sehr soziale und eher freundliche Arten, die gerne in großen Gruppen leben und nach einer erfolgreichen Vergesellschaftung keine neuen Revierkämpfe beginnen. Sie haben eine sehr ähnliche Körpersprache und Art zu kommunizieren, kuscheln gerne in großen Haufen, essen das gleiche Futter, haben ähnliche Ansprüche an ihr Gehege, klettern und buddeln gerne und sind auch sonst in vielen Dingen auf einer Wellenlänge.



Unterschiede

Vielzitzen, besonders die Männchen, neigen extrem zu Fettleibigkeit, weshalb man das Futter anpassen sollte, wenn man die Arten zusammen füttert. Meine Vielzitzen kriegen außerdem extra Eiweiß. Vielzitzenmäuse sind intelligenter als Farbmäuse und brauchen mehr Abwechslung und Stimulation, außerdem nagen sie deutlich mehr. In einem Holzgehege kann es oft nötig sein, die Türen oder einige Kanten mit Metallleisten zu verkleiden. Häuser und Ebenen aus Plastik würde ich komplett vermeiden. Die Vielzitzen sind auch deutlich schwerer und beim Klettern ein bisschen ungeschickter, aber das lässt sich mit dickeren Ästen und Leitern sehr leicht ausgleichen.


Eine VZ Vergesellschaftung läuft laut meinen Erfahrungen mit erwachsenen Tieren oft grober ab, als die von Farbmäusen. VZM kugeln und beißen sich auch mal, was nicht schlimm ist, aber problematisch werden kann, wenn eine kleine Farbi versehentlich in den Kampf gerät. Hat man sehr viele Tiere aus verschiedenen Gruppe, die man zusammen frühren möchte, kann es darum sinnvoll sein, erstmal die Farbis untereinander und die VZM untereinander zu vergesellschaften, bevor man beide Gruppen zusammen führt.

Auf die Unterschiede der Persönlichkeiten und Körpersprache gehe ich im nächsten Abschnitt ein.


Die Rüpel und die Sensibelchen

Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass die Farbmäuse den Vielzitzen so deutlich körperlich und auch intellektuell unterlegen sind, dass es klar ist, wer die Hosen an hat. Dem ist nicht so und das ist auch ein Punkt, der mich u.a. bei der Haltung der beiden Arten so fasziniert. Die Vielzitzen sind DEUTLICH sensibler, empfindlicher und feinfühliger als die Farbis und empfinden diese oft als sehr grob, rüpelig und dominant. Sie erkennen außerdem sofort, dass es sich um eine andere Art als sie selbst handelt und sind darum oft gerade beim Erstkontakt sehr skeptisch und verunsichert, gehen immer wieder hin, rennen schnell weg, schnuppern vorsichtig, wenn die Farbmaus gerade mal nicht guckt, lassen sich auch ohne Frage Essen abnehmen oder legen sich platt und ergeben auf den Boden, wenn eine Farbi sie putzen will.


Die Farbis scheinen die Vielzitzen eher als sehr große Baby-Mäuse zu sehen. Sie nehmen sie in der Regel direkt an und verhalten sich trotz der Größe absolut furchtlos. Sie schätzen die großen warmen Mäuse als Kuschelkissen und einige Farbmäuse scheinen sich bei ihnen wohler zu fühlen als bei Artgenossen, jedenfalls zum Schlafen.


Die Vergesellschaftung

Wie oben bereits erwähnt, würde ich es empfehlen, die Farbis und die Vielzitzen wenn nötig getrennt voneinander zu vergesellschaften, sodass man zwei bestehende entspannte Gruppen hat. Führt man diese beiden bestehenden Gruppe dann in einer weiteren Vergesellschaftung zusammen, läuft diese in der Regel reibungslos ab. Die Farbmäuse akzeptieren Vielzitzen normalerweise direkt auf eine ähnliche Weise, wie auch sehr sehr junge Mäuse direkt akzeptiert werden. Die Vielzitzen sind eine Zeit lang skeptisch, sind aber so sozial, dass sie schnell auftauen und die engen Kuschelhaufen zu schätzen wissen. Ausnahmen bestätigen die Regel! Bei jeder Zusammenführung muss der Mensch dabei bleiben und beobachten, ob es zu Spannungen kommt. Siehe nächster Abschnitt.


Streitpotenzial

Es klingt bizarr, aber einige Vielzitzenmäuse haben Todesangst vor Farbis. Das geht soweit, dass bei der Zusammenführung bei einer Freundin die VZM so eine schreckliche Angst vor den Farbmäusen hatten, dass sie sich über Stunden nicht mehr bewegt haben, anfingen zu schreien, wenn eine Farbmaus sich näherte, und eine der VZM starb sogar an einem Herzinfarkt. Die Sensibel-Vielzitzen haben die Situation nicht verkraftet und wurden deshalb "gerettet" und durften wieder ohne die furchtbaren Farbmäuse leben.


Andersrum gibt es Vielzitzen, denen die "unfreundliche" Art der Farbis extrem auf die Nerven geht und die diese darum nicht im Nest haben wollen. Normalerweise sind VZ dabei so freundlich, dass sie die Farbis nur ins Gesicht schlagen oder sie kneifen, aber ideal ist das natürlich nicht. Das Verhalten kann sich auch steigern und hochschaukeln, wenn die Farbis die freundlichen Hinweise der VZ immer und immer wieder nicht richtig verstehen.

Sollte es zu Kämpfen kommen, müssen die Arten getrennt werden, weil sie kräftemäßig zu unausgeglichen sind!

Video: Milli hält nichts von personal space und freundlichen Anfragen. Wenn sie irgendwo liegen will, dann liegt sie da. Burschi ist mit Farbmäusen aufgewachsen und kennt das schon, er ist sehr tolerant und stört sich nicht an ihr.



Wieso überhaupt?

Wenn es so viele potentielle Probleme gibt, wieso halte ich die Arten dann eigentlich zusammen? Ganz einfach, das Stichwort ist Enrichment. Der Grund, weshalb man seinen Haustieren große Gehege und Artgenossen, abgewechslungsreiches Futter und teure Einrichtung besorgt: damit sie beschäftigt sind und nicht versumpfen, sich langweilen und leiden. Ein Haustier zu sein sollte in meinen Augen immer auch dem Tier etwas bringen. In der Natur sind Nagetiere gut ausgelastet, weil sie konstant um ihr Überleben kämpfen. Dieser Faktor fällt für die Haustiernager zum Glück weg, aber Langeweile ist genau so schädlich wie ein Mäusebussard.

Durch den Kontakt mit artfremden Tieren, mit denen sie sich aber trotzdem gut verstehen, müssen die Mäuse nachdenken. Sie haben andere Sozialkontakte als "nur" mit ihrer eigenen Art, müssen sich aufeinander einstellen und profitieren auch von den Eigenarten der jeweils anderen Spezies.

Meine Farbis geben meinen Vielzitzen oft mehr Sicherheit und Selbstbewusstsein, denn Farbis sind deutlich zahmer/domestizierter als VZM und leben vor, was es alles schönes gibt, wenn man nicht immer panisch vor der Hand wegläuft. Sie motivieren die Vielzitzen auch, bei neuen Gegenständen raus zu kommen und zu erkunden, anstatt ängstlich im Haus zu hocken. Die VZM lassen die Farbis auch neues Essen als "sicher" abchecken, bevor sie sich selbst ran trauen. Dadurch wird die Medikamentengabe leichter, denn wenn sich alle Farbis um diese komische Spritze zanken, dann muss da ja was tolles drin sein.

Die scheuen oder sehr alten Farbis, die die meiste Zeit im Nest verbringen, lieben die großen mütterlichen Vielzitzen, die sehr viel pflegen und putzen. Dadurch sehen meine uralten Farbmäuse, die sich selbst nicht mehr pflegen können, wortwörtlich immer aus wie geleckt. Die Vielzitzen sind allgemein sehr reinlich und gehen oft gerne ins Sandbad-Klo, was ihnen die Mäuse dann nachmachen.


Nicht häufig, aber etwas ganz besonderes ist es auch, wenn Vielzitzenmäuse Farbmausstreits in unruhigen Gruppen unterbinden. Darüber hatte ich etwas detaillierter in diesem Blogbeitrag berichtet: Neuzugänge und Interessantes aus der Artengesellschaft

Foto: Goldi bewacht ihre "Babies"



Einsame Böckchen

Vielzitzenmäuse sind keine populären Haustiere und für viele Menschen nur in zwei Situationen interessant: 1. als Schlangenfutter und 2. als Gesellschaft für einen einsamen Farbmausbock, den man nicht mehr kastrieren kann. Wer eine Farbmausgruppe hält und Gefallen an den VZM gefunden hat, könnte vielleicht auch auf die Idee kommen, sich ein oder zwei davon in seine Gruppe zu setzen, um das ganze etwas spannender zu machen. Ich sehe das eher kritisch.

Theoretisch ist die Gesellschaft von VZ einem einsamen Leben für einen Bock natürlich vorzuziehen, aber ich halte es für sehr wichtig, eines nicht zu vergessen: Die Arten können sich nicht ersetzen! Eine Farbmaus ist niemals ein gleichwürdiger Partner für eine Vielzitzenmaus und umgekehrt. Es sind verschiedene Arten und das wissen sie auch. Entscheidet man sich dafür, die beiden zusammen zu halten, muss man von jeder Art mindestens 5 harmonische Tiere haben, die sich gut verstehen. Entsprechend der Menge an Tieren muss natürlich auch der Platz vorhanden sein. Erfahrungsgemäß sind gerade die Vielzitzen gerne unter sich und suchen sich ihre eigenen Schlafplätze, die Farbis kommen dann nachträglich dazu. Sie leben zusammen und sind nicht territorial, aber sie sprechen nun mal eine andere Sprache. Verliert man Interesse an der Haltung, ist es den Tieren gegenüber nicht fair, die Gruppe einfach "auslaufen" zu lassen. Eine einzelne VZ unter Farbis wäre sehr unglücklich; eine einzelne Farbi unter VZ hat es auch nicht immer leicht.


Harmonische Artengesellschaft halte ich persönlich für etwas besonderes und bereicherndes, aber man darf in jeder noch so großen Gruppe nie die Bedürfnisse des Individuums vergessen.


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